Wien - Im Zuge der Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) wird die Einführung einer Steuer auf Einwegflaschen sowie Getränkedosen und Verbundkartons diskutiert. Ein Vorschlag aus dem Umweltministerium sieht vor, bis zu 20 Cent einzuheben, um den in den in den vergangenen Jahren drastisch gesunkenen Mehrweg-Anteil wieder zu erhöhen. Wirtschaft und Industrie laufen schon jetzt dagegen Sturm. Petra Wieser von der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer (WKÖ) sprach am Mittwoch von einem "Ökoschmäh", zahlen müssten letztendlich die Konsumenten. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace und die Arbeiterkammer (AK) werfen der WKÖ "irreführende Panikmache" bzw. Konsumentenverunsicherung vor.

Vergangene Woche habe eine Arbeitsgruppe des Umweltministeriums mit Ländervertretern aus Wien, Salzburg, Steiermark und Oberösterreich den Sozialpartnern ihre neuen Pläne vorgestellt, sagte Wieser. Nach diesem "Ökobonus-Modell" solle ab 2012 bis zum Jahr 2018 stufenweise eine neue Steuer auf Einweg-Getränkegebinde eingeführt werden.

"Wir bezweifeln die Lenkung in Richtung Mehrweg", sagte Wieser dazu. In Wirklichkeit würden mit dieser Steuer die Konsumenten bestraft, die zu 80 Prozent Einweggebinde kauften. Eine 0,5-Liter-Mineralwasserflasche, die derzeit inklusive Mehrwertsteuer 49 Cent koste, würde sich bei voller Verwirklichung des Modells auf 73 Cent verteuern, rechnete WKÖ-Umweltökonom Stephan Schwarzer in einer Aussendung vor. In Summe würden die heimischen Konsumenten mit 350 bis 670 Mio. Euro im Jahr belastet. Da dies praktisch jeden Österreicher träfe, handle es sich um eine klassische Massensteuer.

Greenpeace und AK widersprechen WKÖ

Stimmt nicht, kontern Greenpeace und AK. Das Mehrweg-Modell setze nicht bei den Konsumenten, sondern bei den Handelsketten an. Laut Greenpeace ist vorgesehen, dass der Handel durch ein Bonus-Malus-System dazu motiviert werden soll, mehr Mehrwegflaschen anzubieten. Beginnend mit 30 Prozent solle die Quote stufenweise auf 50 Prozent erhöht werden. Aus Sicht von AK-Umweltexperte Werner Hochreiter kann keinesfalls von einer "Strafsteuer" gesprochen werden, der Handel könne die "realistischen" Quoten ohne Belastung der Konsumenten erreichen. Greenpeace sieht den Vorteil des Modells auch darin, dass Handelsketten wie Billa, Merkur oder Spar, die jetzt bereits Mehrweggetränke anbieten, belohnt würden, während Diskonter wie Hofer, Lidl oder Penny "endlich auch in die Pflicht genommen werden".

Das Argument, dass Plastikflaschen der Umwelt schadeten, lässt die WKÖ nicht gelten. Wieser: "Die Glas-Mehrwegflasche als ökologisches Non-plus-Ultra ist einfach nicht mehr aktuell." Immerhin habe man beim Recycling enorme Fortschritte gemacht, etwa gebe es jetzt das sogenannte Bottle-to-Bottle-Verfahren. Dabei werden neue PET-Flaschen aus dem Rezyklat gebrauchter hergestellt. Außerdem seien in Österreich die Transportwege für Glasflaschen im Schnitt länger als für Plastikflaschen. Und auch das Waschen der Glasflaschen verschlinge Energie. Greenpeace hält dem entgegen, dass dass Mehrwegsystem insgesamt trotzdem deutlich weniger Energie verbrauche als das Einwegsystem, zudem werde nur ein Bruchteil der Rohstoffe benötigt. Dieser Meinung schließt sich auch Abfallmanagement-Experte Gerhard Vogel im derStandard.at-Interview an.

Umweltministerium: In Diskussion

Im Umweltministerium betonte man, dass das Ökobonus-Modell derzeit zwar in Diskussion, aber nicht in Stein gemeißelt sei. Auch über Alternativen werden gesprochen. Mehrwegflaschen seien durchaus eine Möglichkeit der Abfallvermeidung. "Wir stehen aber hinter der Wahlfreiheit. Der Konsument kann und soll selbst entscheiden."

Genau mit dieser Wahlfreiheit sei es aber nicht mehr weit her, kritisiert die AK. Die derzeit geltende freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft habe dazu geführt, dass der teils bei über 90 Prozent liegende Mehrweganteil bei Getränken schon auf 20 Prozent gesunken sei. SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr sieht angesichts dieser "katastrophalen Entwicklung" "dringenden Handlungsbedarf". Im Büro von Umweltminister Nikolaus Berlakovich erklärt man sich den Rückgang der Mehrwegverpackungen mit der Bequemlichkeit der Konsumenten. 

Für die Getränkeindustrie sieht Ottakringer-Chef Sigi Menz, auch Vorsitzender des Umweltpolitischen Ausschusses der Industriellenvereinigung (IV), Feuer am Dach. Das Ökobonus-System wäre mit einem " enormen logistischen, technischen und letztlich finanziellen Aufwand verbunden", warnte er. Ganz anders sieht das die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner: Getränkeabfüller hätten deutlich geringere Ausgaben, wenn sie weniger Flaschen einkaufen müssen müssen. Vor allem die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe (KMU) hätten bei Mehrweg mehr Chancen gegen weit gereiste Getränke von Großabfüllern.

Im heutigen Umweltausschuss des Parlaments steht das Verpackungs-Mehrwegsystem auf der Tagesordnung. (APA)